Digitalisierung als Querschnittsthema

Digitalisierung ist zu einem fundamentalen Querschnittsthema geworden, das auch alle Bereiche der Jugendarbeit betrifft. Aus diesem Grund hat sich der Bayerische Jugendring (BJR) in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema befasst. Im Jahr 2019 hat der BJR-Landesvorstand eine Arbeitsgruppe des BJR-Landesvorstands mit Expert:innen ins Leben gerufen, um sich mit Fragen der Digitalisierung zu beschäftigen und Jugendarbeit als Gestalterin von Digitalisierungsprozessen zu positionieren. Hieraus sind umfassende Positionen entstanden, die die BJR-Vollversammlung im Oktober 2020 beschlossen hat.

Mitten in die Arbeitsperiode der Expert:innengruppe hat die SARS-CoV-2 Pandemie die gesamte Welt verändert – auch die Jugendarbeit. Durch die Pandemie, die im März 2020 begann, haben sich viele Fragen der Digitalisierung verschärft und konnten nicht mehr aufgeschoben werden. Vieles, was zuvor nur diskutiert und manchmal auch angezweifelt worden war, musste nun schnell umgesetzt werden, um Jugendliche weiter erreichen und vernetzen zu können. Geplante Veranstaltungen mussten abgesagt, verschoben oder den aktuellen Begebenheiten angepasst werden. Projekte mussten abgewandelt und digital umgesetzt werden. Digitale Gruppenstunden, Onlinesitzungen im Jugendring, Ferienangebote digital oder hybrid – schnell mussten Lösungen gefunden werden, um Jugendarbeit weiter möglich zu machen. Die verschiedenen Bereiche der Jugendarbeit haben kreativ auf diese völlig neue Situation reagiert und schnell eine Vielzahl an Methoden und neuen Tools genutzt.

Niedrigschwelliger Zugang in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit

So ging es beispielsweise in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit anfangs darum, den Kontakt zu Jugendlichen weiterhin aufrecht zu erhalten: Telefonisch oder per E-Mail und manchmal auch bei einem Spaziergang. Die jungen Menschen hatten ein immenses Bedürfnis, ihre Sorgen zu teilen und jemanden zum Zuhören zu haben – wenn auch nur per Telefon oder draußen und mit Abstand. Viele standen nicht selten vor der Einrichtung, wenn dort das Lichte brannte, weil sie es zu Hause nicht mehr aushielten. Dadurch entstanden Konzepte wie der „Fensterratsch“ oder der „Zaunratsch“.

Es wurde deutlich, dass die Einrichtungen der Jugendarbeit für längere Zeit geschlossen bleiben würden. Folglich musste es zunächst darum gehen, den niedrigschwelligen Zugang, den ein Jugendzentrum für Jugendliche normalerweise bietet, auch im digitalen Raum zu ermöglichen. Um weiterhin Beziehungsarbeit leisten zu können, musste schnell geklärt werden, welche digitalen Kanäle für Kinder- und Jugendliche geschaffen werden können. Es wurden Onlinesprechstunden eingerichtet, mit Videotelefonaten für Einzelgespräche. Viele Jugendzentren haben ihre Angebote in den digitalen Raum verlagert oder völlig neue digitale Konzepte erstellt, z.B. Discord News Channels, Dance Sessions via Zoom, Instagram- und TikTok-Challenges oder Online-Fifa-Spiele. Und das sind nur einige der Angebote, die während dieser Zeit entstanden sind.

Zuletzt sind auch zahlreiche „virtuelle“ Jugendzentren entstanden: Die Einrichtungen verlagerten ihre Angebote einfach in den digitalen Raum. Das eröffnet während der Pandemie zumindest virtuelle Freiräume und Begegnungen mit Gleichaltrigen, die gerade wichtiger sind denn je.

Den immensen Schub, den die Digitalisierung der Jugendarbeit während der Pandemie erhalten hat, gilt es nun in die Zukunft zu tragen. So haben sich bereits Jugendringe auf den Weg gemacht zum „digitalen Jugendring“ mit umfassenden Strategien und Bausteinen zu werden. Jugendverbände etablieren Juleica-Onlineschulungen, bieten digitale Werkzeugkästen oder Vernetzungs- und Austauschplattformen an – um nur einige Bausteine auf dem Weg zur digitalen Jugendarbeit zu nennen. Es gilt, die Erfahrungen der letzten Monate zu reflektieren, um die Ansätze der digitalen Jugendarbeit weiterzuentwickeln und zu verstetigen. Nur so ist die für die aktuell digitale und künftig wahrscheinlich hybride Realität mit all ihren Chancen und Herausforderungen gewappnet.

Die digitale Zukunft der Jugendarbeit

Während der SARS-CoV-2 Pandemie hat sich gezeigt, in welchen Bereichen Jugendarbeit über digitale Medien geleistet bzw. fortgesetzt werden kann. Es hat sich aber auch gezeigt, wo Ansprüche nicht erfüllt werden. Zwar können bestehende persönliche Beziehungen vom analogen in den digitalen Bereich verlagert werden, aber sie sind schwer über Medien aufzubauen. Und trotz großer Kreativität befindet sich Jugendarbeit in einem permanenten Dilemma, welche Kanäle sie nutzt, um mit Jugendlichen in Kontakt zu bleiben und trotzdem datenschutzkonform zu arbeiten.

Eine große Herausforderung und Aufgabe für Fachkräfte ist außerdem der achtsame Umgang mit der psychischen Gesundheit von jungen Menschen, mit vermutetem Missbrauch und Gewalt in den Familien. Viele Konflikte verlagerten sich während der Pandemie ins Netz: So hat nach der „Cyberlife Studie“ Cybermobbing bei Schüler: innen im Vergleich zu 2017 um mehr als 36 Prozent zugenommen.

Darüber hinaus hat es sich als schwierig erwiesen, mit Medienprojekten alle Zielgruppen zu erreichen. Geschlechtergerechte Medienarbeit und die Barrierefreiheit digitaler Angebote sind wichtige und dringende Handlungsfelder der digitalen Jugendarbeit.

Letztendlich stellt sich die Frage, wie all diese Ideen und Konzepte finanziert werden können. Das BJR-Fachprogramm Medienpädagogik hat in den letzten Monaten zahlreiche Projekte der Jugendarbeit finanziell unterstützt und so einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung geleistet.

Wenn Digitalisierung ein Querschnittsthema ist, gilt dies jedoch für alle Bereiche des Lebens vor allem junger Menschen. Kinder und Jugendliche sind mehr als Schüler: innen. Und gerade Jugendarbeit ist der perfekte Ort, um digital aktiv zu sein und Neues auszuprobieren. Der Digitalpakt Schule investiert Milliarden in die formelle Bildungsarbeit. Die Jugendarbeit holt die Jugendlichen in ihrer wirklichen digitalen Lebenswelt ab. Daher braucht es dringend auch einen vergleichbaren Ressourcenaufwand für die außerschulische Jugendarbeit.

Autorin des Beitrags:

Melda Werstein

Studium der Politikwissenschaften, Anglistik und Romanistik in Heidelberg und Granada, Spanien
2002-2005 Referentin im Abgeordnetenbüro der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in Berlin
Seit 2005 in verschiedenen Tätigkeiten beim BJR

seit 2012 Referentin für Medienpädagogik und Jugendschutz sowie geschäftsführende Referentin der Kommission Mädchen- und Frauenarbeit beim Bayerischen Jugendring

Bayerischer Jugendring (BJR)
Herzog-Heinrich-Straße 7 80336 München
tel 089/514 58 80

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