Wir können anders – Aber wollen wir wirklich? – Vor vier Jahren trafen sich die führenden Staats- und Regierungschefs in Paris und antworteten auf die drängenden Grenzen unseres Planeten mit dem Pariser Klimaschutz Abkommen. Vor vier, bald fünf Jahren schrieb Papst Franziskus an alle Menschen guten Willens einen Brief: „Laudato si – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“. Wo stehen wir heute? – Barbara Schmitt schreibt als Gastautorin im bai und hier auf unserem Blog den Artikel “Ein Plädoyer für mehr Schöpfungsspiritualität”. “

Fridays for future protestieren seit einem Jahr gegen die Gleichgültigkeit mit der unsere Menschheit den einen Planeten Erde gegen die Wand fährt – allen voran die G20 Staaten, die 80% der Ressourcen verbrauchen und der Emissionen verursachen. Verrückterweise sind es überwiegend christlich geprägte Länder, die mit ihrem Wirtschafts- und Lebensstil am meisten auf Kosten anderer leben. Wie kann das sein?

Im Oktober diesen Jahres tagte in Rom die Amazoniensynode. Ihr Abschlussdokument als Vorlage für das postsynodale Schreiben von Papst Franziskus, das vor Weihnachten erwartet wird, mahnt einen großen Wandel an und benennt vier notwendige Umkehren: gesellschaftlich, pastoral, ökologisch und synodal.

Glaube und Weltverantwortung gehören zusammen

Glaube und Sorge für unsere Mitwelt – Menschen, Lebewesen und Lebensräume – gehören aufs engste zusammen. Es ist nichts fakultatives, sondern zutiefst eingeschrieben in unseren Glauben. Doch diese Überzeugung und die Verbundenheit mit der Mitwelt ist vielfach verloren gegangen. Noch nie waren Menschen über so viele Kontinente hinweg im Austausch und Dialog, noch nie durch Flugverkehr die Wege von einem Ende der Welt zum Anderen so kurz. Doch vor allem Konsum und Warenaustausch, die Suche nach dem noch billigeren Produktionsstandort, scheint leitend zu sein. Dass immer noch 850 Millionen Menschen hungern oder fast zwei Milliarden ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser sind, ist angesichts unserer technischen Möglichkeiten ein Skandal.

Unsere Lebensweise wirft grundlegende Gerechtigkeitsfragen auf: Wer profitiert vom sogenannten Fortschritt? Was ist Entwicklung? Wer leidet für die technischen und industriellen Produkte – sei es durch Rohstoffabbau, Produktion oder Entsorgung? Wie verteilen wir die Nahrungsmittel, dass alle satt werden? Wieso leiden die am meisten unter der Erderhitzung, die am wenigsten dazu beitragen? Papst Franziskus benannte es in seinem Schreiben Evangelii Gaudium provokant: „Diese Wirtschaft tötet.“

Wir brauchen eine spirituelle Umkehr

Schöpfungsspiritualität heißt in allem Leben Spuren des Schöpfers und der Geistkraft zu entdecken. Erkennen, dass alles mit allem verbunden ist (vgl. LS 91) und das wirklich leben. Dafür brauchen wir eine spirituelle Umkehr. „Ein Verbrechen gegen die Natur zu begehen, ist eine Sünde gegen uns selbst und gegen Gott!“ (LS 8) Was heißt das für meinen Lebensstil, aber auch für meinen Glauben? Einerseits müssen wir auf die Auswirkungen in unserer nächsten Umgebung achten: Unsere Wälder sind krank: Im Bayerischen Wald sterben die Fichten, in Mitteldeutschland sind die Buchen bedroht, in München sorgt man sich um die Linden und andere Bäume. Andererseits müssen wir die weltweiten Verstrickungen unserer Lebensweise in den Blick nehmen und zu ändern versuchen: Die Indigenen Völker und ihre Heimat, der amazonische Regenwald – der eine Lungenflügel des Planeten Erde neben dem Kongobecken in Afrika als zweitem – ist durch Rohstoffhunger (u.a. Gold), Landwirtschaft vor allem zur Futtermittelproduktion (u.a. Soja) für den Export und illegalen Holzeinschlag auch für Europa bedroht. Die Abhängigkeiten der Kolonialzeit sind noch nicht aufgelöst oder überwunden.

„Alles ist miteinander verbunden“ leben

Schwester Birgit Weiler, Synodenteilnehmerin und katholische Theologin, die mit indigenen Völkern in Peru arbeitet, mahnt: Die Tradition der indigenen Völker ist oral, mündlich. Stirbt der Wald, stirbt ihre Lebensweise und mit ihnen sterben auch ihre Weisheit und das Leben und Wissen, dass alles mit allem verbunden ist.

Wo sind unsere Weisheit und unsere Überlieferungen? Nur noch 5% oder weniger arbeiten in der Landwirtschaft in Bayern. Der Großteil der Bevölkerung lebt in Städten. Dies ist eine weltweite Dynamik, aber entfremdet uns vom Wissen, wie Boden fruchtbar gemacht und fruchtbar erhalten wird, wie und wann man Samen aussät, Pflänzchen richtig hegt, um irgendwann – abhängig von Wetter, Schädlingen und Umwelteinflüssen – eine größere oder kleiner Ernte einzufahren. Dies ist auch in unserem Jahrhundert – auch in Zeiten von smart gardening und smarter Landwirtschaft – nicht selbstverständlich.

Wie viel ist genug?

Schöpfungsspiritualität heißt achtsam mit mir und meinen Grenzen umgehen, achtsam mit meinem Körper sein, aber noch viel mehr mit der Gemeinschaft und Mitwelt, in der ich lebe, zu der ich beitrage und die mich trägt.

Die KLJB Bayern schritt im Jahr der Enzyklika Laudato si mutig voran und startete ihr Projekt „Ausgewachsen. Wie viel ist genug?“ Im sinnvollen Dreischritt fragte man: Wie viel ist genug für die Natur/Ökologie? Wie viel ist genug für die Gemeinschaft? Wie viel ist genug für mich? Was heißt glückendes Leben? Es gab eine Homepage mit Methoden und weiterführenden Informationen. Einige Beschlüsse, Studienteile und Aktionen. Doch zwei Jahre Projekt ist nicht genug: Wir müssen weiterhin gemeinsam an die großen Fragen heran: Wie können wir die Grenzen des Planeten achten und zugleich die unserer Wirtschafts- und Staatssystem? Trauen wir uns eine einfache, fröhliche Zufriedenheit anzustreben? Was können wir persönlich tun? Wo brauchen wir andere und bringen uns politisch ein?

Das meint nicht, dass wir gleich Weltpolitikerinnen und Weltpolitiker werden müssen, aber an dem Platz, an dem wir geboren sind und mit den Möglichkeiten, die uns gegeben sind, das tun, was notwendig ist. Denn wir sind einerseits Individuen, aber andererseits auch Gemeinschaftswesen und vor allem als Geschöpfe mit allen Menschen und Lebewesen engstens verbunden.

Schöpfungsspiritualität heißt dankbar sein und fröhlich, solidarisch, engagiert und politisch: Z.B. für gesetzliche Rahmen kämpfen wie es die Initiative Lieferkettengesetz tut, zu der über 70 Verbände und Initiativen – darunter auch KLJB und BDKJ – sich zusammengeschlossen haben, um ökologische und menschenrechtliche Standards endlich verbindlich für alle Unternehmen für die ganze Lieferkette durchzusetzen. (vgl. www.lieferkettengesetz.de )

Umkehren – neu leben wagen

Wir haben nicht mehr viel Zeit, bevor die von Klimaforschern identifizierten Kipp-Punkte kippen. Nur noch wenig fehlt, dass in Amazonien so viel Wald abgeholzt wurde, dass eine langsame Versteppung der ganzen Region droht. Wir müssen uns endlich die Zeit nehmen und ein Herz fassen, dass wir hören und sehen, was mit unserer Welt passiert und umkehren, Systeme verändern und neu leben wagen. Hin zu einfacher, fröhlicher Genügsamkeit und mit ausreichend Hoffnung, um zu handeln.

Manchmal müssen wir dafür innehalten und unterbrechen – Advent und Fastenzeit laden uns dazu im Lauf des Jahres besonders ein. Dann entdecken wir neue Alternativen. Meistens müssen wir uns vor allem erlauben anders zu denken. Denn was anders zu denken ist, kann man auch anders tun. Das klingt einfacher als es in der Praxis ist, aber es lohnt sich.

Zur Autorin des Gastbeitrags:
Barbara J. Th. Schmidt, Jahrgang 1984 ist Diplom-Theologin und Trainerin für zivile, gewaltfreie Konfliktbearbeitung und transkulturelles Lernen A.T.C.C., 2011 bis 2016 Referentin für Theologie an der Landesstelle der Katholischen Landjugend Bayerns e.V., seit 2017 Leiterin MISEREOR in Bayern.


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