Zugegebenermaßen, die Corona-Krise betrifft mich aktuell nicht direkt. Einerseits gesundheitlich, ich bin jung und habe keine Vorerkrankungen, demnach muss ich mir keine großen Sorgen machen wirklich schwer krank zu werden (auch wenn es natürlich trotzdem passieren könnte). Andererseits persönlich: Ich bin Student und hätte im Moment sowieso keine Veranstaltungen. Außerdem muss ich mir weder um meine Arbeitsstelle, noch um meinen Betrieb Sorgen machen: Die Corona-Krise macht mir meine Privilegien deutlich!
Dabei habe ich aber noch gar nicht erwähnt, dass ich entspannt in Deutschland wohne und nicht als Flüchtende*r in Syrien, der Türkei oder in Griechenland dem Coronavirus schutzlos ausgeliefert bin.
Kurz gesagt: ich bin privilegiert!
Ich gehöre zu einer relativ großen Gruppe an jungen gesunden Menschen, die vom Coronavirus nicht direkt bedroht sind.
Obwohl uns das Coronavirus nicht direkt betrifft, verändern wir dennoch unser Leben. Man denke nur an #ausgangsbeschrenkung, #distancing und so weiter.
Für uns entspringt die Verantwortung uns entsprechend zu verhalten um andere Menschen, die diesen Vorteil nicht haben, zu schützen. Viele von uns unterstützen ältere Menschen durch Besorgungen oder engagieren sich anderweitig. Und ansonsten bleiben wir zuhause.
Das wird von uns erwartet und das ist auch gut so. Aber es ist für viele von uns auch absolut selbstverständlich uns so zu verhalten.
Es ist viel zu selbstverständlich!
Auch außerhalb des Coronavirus bin ich privilegiert. Als heterosexueller Cis-Mann musste ich mir noch nie Sorgen machen, dass ich deswegen angegriffen werde.
Außerdem bin ich offensichtlich deutsch und mein bairischer dialektaler Einschlag hat mich bisher eher sympathisch wirken lassen. Mir wird nicht aufgrund meiner Sprache meine Kompetenz abgesprochen. Dass ich katholisch bin, sieht man mir nicht an und wenn ich es doch mal sage, habe ich keine Nachteile dadurch.
Außerdem geht es mir finanziell so gut, dass ich mich nicht wirklich einschränken muss. Zwar kann ich mir nicht alles leisten, aber im täglichen Leben merke ich davon nichts.
Priviligiertheit heißt nicht, dass mir alles auf dem Silbertablett serviert wird. Auch bei mir ist das Leben trotz meiner Privilegien nicht immer einfach, aber in vielen Bereichen ist es sicherlich einfacher als für andere.
Aber genauso wie es klar ist, dass man die Verpflichtung die sich aus der Priviliegiertheit im Bezug auf das Coronavirus erwächst, nicht einfach ignorieren kann, sollte es klar sein, entsprechend auf die Privilegien zu reagieren, die man sonst erfährt.
Ein erster Schritt wäre anzuerkennen wo ich privilegiert bin.
Sind die Dinge, die für mich selbstverständlich sind, wirklich deshalb selbstverständlich, weil sie es für alle sind oder nur deshalb, weil ich es selbst nicht anders erlebt habe?
Welche Probleme, die für mich nur Herausforderungen sind, sind für andere Personen bereits unüberwindbare Hürden?
Und sobald man erkannt hat, dass man privilegiert ist, dann entsprechend darauf zu reagieren. Und sich so verhalten, dass man Personen unterstützt, die diese Vorteile nicht haben.
Einer meiner (leider viel zu vielen) Wünsche, den aus der aktuellen Krise mitnehmen würde, wäre, dass es auch nach der Corona Krise selbstverständlich ist, dass sich privilegierte Gruppen ihrer Verantwortung bewusst sind.
Autor des Kommentars ist Stephan Nüßlein. Er ist KjG-Diözesanleiter des KjG Diözesanverbandes Passau und Mitglied in der AG Männer des BDKJ Bayern.
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