Die Europawahl steht bevor und ein langer Weg liegt hinter uns: Vom ersten Mal, als die Vereinigten Staaten von Europa proklamiert wurden, über die Montanunion, den Schuhmannplan, die EG bis zur heutigen Europäischen Union. Für viele junge Menschen sind dies Begriffe aus dem Geschichtsbuch, denn für sie ist die EU heute normal geworden.

Dass wir in der EU leben, ist Alltagsrealität, genauso wie in den Kurzurlaub in ein anderes EU-Land zu reisen, einen Jugendaustausch zu machen, das Praktikum in Prag oder das Auslandsstudium in Spanien. Das ist schön, denn die lang geträumte Union ist inzwischen real geworden. Doch sich die EU als fertiges Ergebnis vorzustellen, ist nicht ganz richtig. Die EU ist schrittweise zu dem geworden, was sie heute ist, und sie bleibt auch noch weiterhin im Entwicklungsprozess.

Es gibt noch viel zu tun und Fragen sind offen

Es gibt noch viel zu tun und Fragen sind offen: Die Umsetzung einer gemeinsamen Migrationspolitik, eine wirkungsvolle Klimaschutzpolitik, vielleicht sogar eine europäische Sozialpolitik – das sind nur einige Beispiele von Themen, an denen noch gearbeitet, für die Kompromisse ausgehandelt und geschlossen werden müssen. Was passiert, wenn ein Mitgliedsstaat aus der EU austritt? Wie lange muss das Parlament noch zwischen Straßburg und Brüssel hin und her ziehen? Oder bekommt das Parlament irgendwann sogar das Vorschlagsrecht für europäische Gesetze?

Wo kommt die Jugend vor?

In den verschiedenen Politikfeldern hat auch die Jugend ihre besonderen Interessen und Bedarfe. Für die Europapolitik hingegen war die Jugend lange nur am Rande interessant. Erst mit gemeinsamen Schritten wie der sogenannten Bologna-Reform oder Herausforderungen, wie der massiven Jugendarbeitslosigkeit vor allem im südlichen Europa, rückten junge Menschen mehr in den Fokus. Kompetenzförderung, Präventionsthemen, Demographietrends und nicht zuletzt die Digitalisierung geben heute den jungen Menschen eine Virulenz, die es vorher nicht gab. Im aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen der EU ist im Bildungs- und Jugendprogramm Erasmus+, in dem auch Jugendaustausch gefördert wird, als einem der wenigen Programme trotz Brexit eine deutliche Aufstockung vorgesehen. Außerdem wird es ein großes Jugendprogramm für Solidarität und Freiwilligenarbeit geben, vielleicht soll es sogar Interrailtickets geben.

Auch wenn wir immer noch viel über echten Dialog und Beteiligung diskutieren müssen und es nicht immer ganz mit der Umsetzung klappt, gab es für die Jugend noch nie so viele Möglichkeiten der Mitgestaltung wie heute, diese Einschätzung bestätigen mir viele Kolleg_innen in Brüssel. Aus jugendpolitischer Perspektive bedeutet dies für die Jugendstrukturen und Jugendorganisation, in denen sich junge Menschen vertreten, eine große Chance. Es gilt Europa jetzt in den Blick zu nehmen und jungen Menschen auch dort eine Stimme zu geben. Europa ist kein Thema für junge Menschen – sondern vielmehr eine politische Ebene, auf der richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden. Die Jugendarbeit hat über die Jahre viele Strukturen aufgebaut und Erfahrung gesammelt in der Interessenvertretung von jungen Menschen in Bayern. Diese gilt es nun auch auf europäischer Ebene anzuwenden.

Schicksalswahl in Europa

Jetzt zur Europawahl steht es „Spitz auf Knopf“, viele sprechen von einer „Schicksalswahl“ zwischen Verbundenheit und Nationalismus, zwischen Vielfalt und Grenzen, zwischen einem Aufbruch in eine noch ungewisse Zukunft oder dem Rückzug in den vermeintlich sicheren Hafen der Einzelstaaterei. Wie viele „Europaskeptiker“ und Europagegner werden nach dem 26. Mai im Europäischen Parlament sitzen? Und werden es von den 705 Abgeordneten noch genug sein, die Europa voran bringen und weiterentwickeln wollen, damit der Kontinent noch mehr zusammenwächst?

Noch wissen wir das Ergebnis nicht. Aber ich bin mir sicher, dass sich die miesen Wahlquoten junger Menschen von 2014 (nur 27% bei unter 27jährigen in Deutschland) dieses Jahr nicht wiederholen werden. Dafür sind zu viele junge Leute auf der Straße, wenn es um die Copy-Right-Reform, Fridays for Future oder Pulse of Europe geht. Schon jetzt sprengen die Anmeldungen für U18-Wahllokale die Zahlen von 2014 [Anmerkung der Redaktion: Die U-18 Wahl fand bereits statt. Link zur U-18 Wahl]. Und wie wäre es, wenn jeder Jugendliche ein paar Erwachsene an die Hand nimmt und am 26. Mai zur Wahl begleitet? Wäre es nicht sogar am schönsten, wenn die Nationalstaaten das Europäische Parlament ernst nehmen würden, welches schon 2015 das Wahlrecht ab 16 empfahl?

Für Europa braucht es Mut!

Es gibt noch viele große Träume und Visionen, die in Europa in den nächsten Jahren verwirklicht werden könnten und wie immer fängt es irgendwo klein an, kein Grund also pessimistisch zu werden. Nur mit Optimismus und einer Portion Zähigkeit und Kompromissbereitschaft konnte die EU soweit kommen, wie sie heute ist. Wenn Europa nun die Jugend immer mehr zum Thema macht und die Jugend immer mehr Europa, dann sind das wirklich keine trüben Aussichten mehr, sondern erfreuliche Entwicklungen, die wir als Jugendringe und Jugendorganisationen unterstützen wollen. Die EU ist nicht perfekt, aber mit jedem Schritt in die europäische Richtung können wir dazu beitragen, Europa besser zu machen!

Zur Autorin des Gastbeitrags:
Lea Sedlmayr ist Referentin für Europäische Jugendpolitik baut seit 2015 das Europabüro des Bayerischen Jugendrings in Brüssel auf:

European Office of the Bavarian Youth Council
Rue de Pascale 4-6
B-1040 Brüssel
tel +32 27 25 60 95
sedlmayr.lea@bjr.de

Geboren und aufgewachsen in München.
Magisterstudium Erziehungswissenschaften, Psychologie und Nordische Philologie, Master Philosophie, Diplom Theaterpädagogik
Referentin für verbandliche Entwicklung bei der Jugend des Deutschen Alpenvereins Bayern und für sie auch im Landesvorstand des Bayerischen Jugendrings
 
Was aber viel interessanter ist:
Ab ca 1995 Mitglied der KjG München-Freising
Ab ca 2001 Kursleiterin in München Pasing Ehrenamtliche Tätigkeit in zahlreichen Gremien, Arbeitskreisen, Ausschüssen usw. auf allen Ebenen der KjG von Dekanats- bis Weltebene
Aktuell: nur noch im Solidaritäts- und Förderkreis der KjG München-Freising


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