Fällt der Begriff „Generationengerechtigkeit“ in der öffentlichen Debatte, ist es häufig zu reißerischen Schlagworten wie dem „Krieg der Generationen“ oder „Hüftgelenke oder Studienplätze?“ nicht allzu weit. Eine Generation führt ihr Potential, eine ihre erbrachten Leistungen ins Feld. Eva-Katrin Ernhofer hält dies für ein Missverständnis und ordnet ein:

 

Unter dem Titel „Jetzt ist die Zeit“ positioniert sich der BDKJ Bayern zum Thema Generationengerechtigkeit und macht dabei deutlich, was darunter zu verstehen ist. Im Besonderen gilt es, die gerechte Verteilung von Lebenschancen, von materiellen Ressourcen und von Lebensqualität in den Blick zu nehmen.

Es geht dem BDKJ um Gerechtigkeit zwischen heutigen und künftigen Generationen, als deren Sprachrohr die Kinder- und Jugendverbände sich verstehen, da sie in der öffentlichen Debatte nach wie vor unterrepräsentiert sind. Ernst gemeinte Generationengerechtigkeit kann demnach eben kein Aufwiegen von Potentialen und erbrachten Leistungen sein, sondern muss das Wohlergehen aller Menschen jetzt und in Zukunft, ein gelingendes Miteinander und den verantwortungsvollen Umgang mit unserem Planeten im Blick haben.

Generationengerechtigkeit als Querschnittsaufgabe

Gegenwärtig ist hier ein mangelndes Bewusstsein zu beklagen. In zahlreichen politischen Entscheidungen wird der Gegenwart, bzw. der Sicherung gegenwärtigen Wohlstands, Vorrang eingeräumt. Die sich bereits abzeichnenden Probleme der Zukunft werden allzu oft künftigen Generationen überlassen. Wesentlichen Einfluss auf diese Entwicklung haben der demographische Wandel und das an diesen „angepasste“ politische Agendasetting. Laut ifo-Institut wird bereits im Jahr 2035 nach heutigem Stand die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland im Rentenalter sein und rund 60 Prozent der Wahlberechtigten ausmachen. Gleichzeitig gaben in der Shell-Jugendstudie 69 Prozent der befragten 15- bis 25-Jährigen an, sie hätten das Gefühl, „Politiker kümmern sich nicht darum, was Leute wie ich denken”. Wo die junge Generation eine Minderheit der Wahlberechtigten darstellt und Kinder und Jugendliche kein Mitspracherecht haben, läuft eine alternde Gesellschaft Gefahr, deren Bedürfnisse aus dem Blick zu verlieren.

Mit dem Beschluss „Jede Politik ist Kinder- und Jugendpolitik“ macht der BDKJ deutlich, dass sich die politischen Entscheidungen, die nachfolgende Generationen betreffen, nicht auf einzelne Bereiche beschränken lassen. So muss Generationengerechtigkeit als Querschnittsaufgabe begriffen werden, die sich in allen Bereiche von Politik und Gesellschaft wiederspiegelt.

Dialog der Generationen fördern

Ein Kernthema der gegenwärtigen Debatte und der Positionierung des BDKJ Bayern ist ein tragfähiges Solidarsystem. Die rapide alternde Gesellschaft stellt den Generationenvertrag in seiner bisherigen Form vor ein unübersehbares Problem. Gleichzeitig sind prekäre Arbeitsbedingungen für junge Menschen zur Normalität geworden. Bei der stetig steigenden Zahl an befristet Angestellten fallen vielen Zukunfts-und Familienplanung schwer.

Bei der Lösung dieses Problems dürfen die Bedürfnisse der Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern es bedarf eines Dialogs, in dem gegenseitiges Verständnis und Verantwortung füreinander an oberster Stelle stehen. Benötigt wird eine Reform der sozialen Sicherungssysteme, die eine gute Versorgung für die Älteren leisten, ohne die jungen und nachfolgenden Generationen zu überfordern. Dabei muss dem zahlenmäßigen Ungleichgewicht der Generationen bereits durch eine entsprechend familien- und arbeitnehmerfreundliche Politik entgegengewirkt werden.

Nur wer mitspielt, kann gewinnen

Um eine solche zukunftsbejahende Politik voranzutreiben, ist es unabdingbar, Kinder und Jugendliche nicht nur in Entscheidungen mitzudenken, sondern auch einzubeziehen. Aussagen wie aus der bereits zitierten Shell-Jugendstudie zeigen, dass junge Menschen sich von der „großen Politik“ nicht wahrgenommen fühlen und dass an ihren Bedürfnissen vorbei über ihre Zukunft entschieden wird. Im Wahlkampf buhlen die Parteien gegenwärtig um die Stimmen potentieller WählerInnen. Knapp 13 Millionen Kindern und Jugendlichen ihre Inhalte nahezubringen und mit ihnen in den Dialog zu treten, lohnt sich dabei nicht. Eine Herabsetzung des Wahlalters ist ein notwendiger Schritt, um die Anliegen von Kindern und Jugendlichen auf die Agenda der Parteien zu heben. Und auch abseits der Wahlurnen müssen Heranwachsende von Anfang an in die Gestaltung der Gesellschaft, in der sie leben möchten involviert werden, um eine entsprechende Identifikation zu ermöglichen, gesellschaftliches Engagement zu fördern und eine tragfähige Demokratie zu gewährleisten.

 „Es gibt nur eins, das auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“

Dass die Investition in Bildung immer eine Investition in die Zukunft ist, hat John F. Kennedy vor über 50 Jahren mit diesem Zitat auf den Punkt gebracht. Wenn Überschüsse staatlicher Haushalte statt Investitionen in das Bildungssystem Steuerentlastungen nach sich ziehen, ist dies ein Beispiel für die Verhaftung in der Gegenwart anstelle zukunftsweisender Politik im Sinne von Generationengerechtigkeit. Eine vorwärtsgewandte Bildungspolitik macht einen zentralen Aspekt von Generationengerechtigkeit mit sowohl ökonomischer als auch sozialer Reichweite aus. Zweifellos baut eine Generation stets auf dem auf, was die vorherige geschaffen hat. Sie erhält ein „Erbe“, auf dessen Grundlage es wiederum Neues zu schaffen gilt, um immer neue Herausforderungen bewältigen, ihren Beitrag leisten und sich selbst entfalten zu können. Zu diesem Erbe müssen für künftige Generationen eine gewissenhafte Ausbildung von Fachkräften ebenso wie zukunftsfähige Technologien, umfassende Förderungsmöglichkeiten inner- und außerhalb formeller Bildung ebenso wie die Durchlässigkeit des Bildungssystems zählen.

Der BDKJ und seine Mitgliedsverbände verstehen sich als Orte informeller Bildung, an denen Kinder und Jugendliche gemäß ihren Bedürfnissen und Ideen gefördert, in ihren Anliegen gehört und unterstützt werden. In diesem Sinne ist „Unsere Zukunft beginnt jetzt“, nicht in erster Linie ein Aufbegehren gegen derzeitige Entwicklungen, es ist ein Ausdruck der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, die Gesellschaft mitzugestalten und gemeinsam zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen.

 

Autorin: Eva Ernhofer

Eva-Katrin Ernhofer, Jahrgang 1986, hat Deutsch und Geschichte auf Gymnasiallehramt studiert und mit dem zweiten Staatsexamen abgeschlossen. Seit 2014 ist sie hauptamtliches Mitglied im Landesvorstand der KjG LAG Bayern


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