Echte Teilhabe am politischen Leben setzt nicht nur, aber eben auch, ein aktives Wahlrecht voraus. Ein Wahlrecht von dem per se alle Menschen unter 18 Jahre in Deutschland ausgeschlossen sind , schränkt diese Teilhabe deutlich ein. Deswegen ist die Forderung nach einer Wahlalterabsenkung alles andere als innovativ. Sie ist notwendig. Daniel Köberles Kommentar aus dem aktuellen bai.
Die Interessen von jungen Menschen werden am besten von ihnen selbst vertreten. Politische Parteien hätten damit automatisch mehr Motivation ihre Programme für junge Menschen attraktiver zu gestalten und echte Vorschläge für die junge Generation mit all ihren Bedürfnissen zu liefern .
Das häufigste Gegenargument zu einer Wahlalterabsenkung, das ich zu hören bekomme, ist: Junge Menschen haben eine zu geringe politische Bildung, um sich eine eigene politische Meinung zu bilden. Daher können sie keine eigene Wahlentscheidung treffen.
Diese Aussage unterstellt jungen Menschen ein generelles und grundsätzliches Unvermögen sich eine eigene Meinung zu bilden und über sich selbst zu bestimmen. Wir erwarten von jungen Menschen u.a., dass sie eine Ausbildung machen, zur Schule gehen, Steuern bezahlen (in bestimmtem Umfang und Form), ihre Religion wählen, trauen ihnen aber keine demokratische Wahl zu? Das macht doch keinen Sinn! Dabei betrifft doch jedwede politische Entscheidung und deren Folgen das Leben junger Menschen im Verhältnis zu allen anderen Alterskohorten wesentlich stärker und länger.
Bildungspolitik soll Lust auf Demokratie machen
Außerdem: Wenn allen Verantwortlichen die politische Bildung von jungen Menschen so wichtig ist, warum hat politische Bildung dann nicht eine sehr viel größere Priorität in der Schule? Politische Bildung braucht es früher (schon ab der Grundschule, manche fordern sogar ab dem Kindergarten) und intensiver. Alle Institutionen der Europäischen Union aufzuzählen, ist zwar ganz nett, verstärkt aber nicht automatisch eine intrinsische Motivation sich am politischen Geschehen zu beteiligen. Kluge Bildungspolitik muss nicht nur dafür Sorge tragen, dass junge Menschen auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden, sondern auch auf das Leben in einer demokratischen und solidarischen Gesellschaft. Alle Parteien wollen mehr politische Bildung in der Schule. Also Do it. In den Jugendverbänden funktioniert dieses Prinzip übrigens schon seit jeher. Hier werden junge Menschen befähigt, sich kritisch mit Dingen auseinanderzusetzen und sich eine eigene Meinung zu bilden, gleichzeitig wählen Kinder und Jugendliche ihre Themen, Vorstände und Leitungen selbst. Kein Spiel, sondern echte Mitbestimmung.
Und dann ist da noch die Frage, warum offenbar nur junge Menschen eine politische Bildung benötigen (die ja aber offenbar zu wenig sei), um wählen gehen zu dürfen? Genießen doch viele andere Erwachsene gar keine oder schon lange keine politische Bildung mehr, dürfen aber trotzdem wählen gehen. In meinem persönlichen Umfeld fallen mir sofort Menschen ein, die aus verschiedenen Gründen gar keine, nur sehr wenig oder schon lange überhaupt keine politische Bildung genossen haben. Muss man diese dann nicht auch von der Wahl ausschließen? Natürlich nicht! Wer wählen geht, soll politisch gebildet sein. Stimmt. Aber es darf andersherum kein Ausschlusskriterium sein.
Wahlalterabsenkung ist möglich
Junge Menschen muss man ernst nehmen und mit ihnen reden, nicht über sie. Wie z.B. in der Debatte um das Pflichtjahr. Wer sagt, dass es ein Pflichtjahr braucht, damit junge Menschen lernen Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu übernehmen, vergisst, dass es doch die mittelalten Männer sind, die mit Populismus jenen Zusammenhalt gefährden. Junge Menschen sind keine weltfremden Spinner! Sie machen sich Gedanken und oft auch Sorgen um ihre Zukunft und die Welt in der sie leben wollen. Es ist so dringend notwendig, dass eine generationengerechte Politik nicht nur die „Ängste der besorgten Bürger*innen“ ernst nimmt, sondern auch die Interessen von jungen Menschen. Dann stünden Themen wie z.B. Ökologie, Mobilität, Wohnen, gesellschaftlicher Zusammenhalt oder Partizipation mit ganz anderen Prioritäten im Wahlkampf und in der Politik. Eine Wahlalterabsenkung in Bayern ist möglich. Die Mitglieder des (nächsten) Bayerischen Landtags können das einfach machen! #jetztistdiezeit dafür.
Zum Autor: Daniel Köberle ist Landesvorsitzender des BDKJ Bayern.
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